Das Kullertränchen


Als Andi Geburtstag hatte, bekam sie eine Puppe geschenkt, ein Kullertränchen.
Die konnte richtig weinen. Man gab ihr das Fläschchen zu trinken. Dann lachte sie. Und wenn man ihren Arm nach oben bog, dann weinte sie Tränen aus den Augen. Deshalb hieß sie auch Kullertränchen. Andi hatte sich diese Puppe schon lange gewünscht. Und ich durfte mit in die Stadt fahren, um sie zu kaufen. Die Stadt war für mich auch ein bisschen wie Amerika, weil sie so weit weg war.
Von unserem Dorf aus konnte man sie nicht sehen. Von unserem Dorf aus konnte ich nur Pommerland sehen. Und das war das Ende der Welt. Pommerland konnte ich sehen, wenn ich mit meinen Freunden und Geschwistern an der Grenze stand, über die wir niemals hinausgehen durften. Hier war das Pfarrhaus mit seinen großen Kastanienbäumen. Und dahinter war das Ende der Welt.
Aber die Stadt war noch viel weiter weg. Dorthin musste man mit dem Bus fahren.
Meine Oma fuhr zweimal im Jahr in die Stadt. Und diesmal durfte ich mitfahren, um die Puppe zu kaufen. Denn Oma wusste ja gar nicht, was ein Kullertränchen ist. Das war für sie so ein neumodisches Zeug, von dem sie keine Ahnung hatte.
Oma ging immer ins selbe Kaufhaus und kaufte auch immer
die gleichen Sachen. Sie kaufte Butterkekse oder Spekulatius
für uns Kinder, und Malzbonbons. Und natürlich Schokolade...
Hanna Bär